Das genaue Gegenteil was allgemein geglaubt wird, ist meistens die Wahrheit.

Jean de la Bruyère französischer Schriftsteller (1645-1696)

Chemtrails - Aerosole

Muster am Himmel - Indizien für eine globale Bedrohung?

Es ist Mitte August. Der klare, strahlende Morgenhimmel läßt auf einen heißen Tag schließen. Ein paar Stunden später hat sich das Wetter gewandelt: Der Himmel wirkt ausgebleicht, wie von einer milchigweißen Schicht überzogen, und im Laufe des Tages fällt die Temperatur um etwa fünf Grad. Auch an den kommenden Tagen laßt der Sommer auf sich warten: Der Himmel bleibt eingetrubt, die Temperaturen liegen deutlich unter dem Durchschnitt.

Chemtrail-Formation
Abb. 1: Eine Chemtrail-Formation in der Morgendämmerung. Das Gitternetz ist bereits deutlich zu erkennen. Foto: Gabriel Stetter, Amsterdam 2003

Dieses Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen: Seit einigen Monaten überfällt viele Menschen ein beklemmendes Gefühl, wenn sie den Himmel betrachten. Schuld daran sind mysteriöse Kondens­streifen, die sich nicht nach wenigen Minuten auflösen, sondern in die Breite gehen und stundenlang stehen­bleiben (siehe Abb. 1). Im Internet häufen sich die mit Digital­kameras aufge­nommenen „Indizienbeweise“ für das erst seit wenigen Jahren bekannte Phänomen. Seit dem Frühjahr 2004 werden deutsche Umwelt­schutz­organisationen mit Anfragen besorgter Bürger sogar regelrecht bombardiert: Was ist da oben los? Und ist es eine Gefahr für unsere Gesundheit?

Der amerikanische Journalist William Thomas glaubt die Lösung des Rätsels zu kennen. „Bei diesen atypischen Kondensstreifen, die seit der Jahrtausendwende in den USA und seit etwa einem Jahr über europäischen Großstädten beobachtet werden, handelt es sich um so genannte Chemtrails“, erklärt er. Seiner (und nicht nur seiner) Ansicht nach sind das von Flugzeugen produzierte Kondens­streifen, die sich deshalb so seltsam verhalten, weil sie mit Chemikalien durchsetzt sind. „Es gibt Indizien dafür, daß es sich um ein globales Klima­experiment handelt, bei dem chemische Substanzen von Flugzeugen versprüht werden.“

Chemtrail Anzeige
Abb. 2: Im Internet kann man einen kanadischen „Anti-Chemtrail-Commercial“ abrufen, der in einem lokalen TV-Programm gezeigt wurde.

Diese Theorie formulierte Thomas bereits in seinem Buch „Chemtrails Confirmed“: Darin will er ein geheimes Gemeinschaftsprojekt der USA, der UNO und der Weltgesundheitsorganisation WHO enttarnt haben, das darauf hinausläuft, die durch den Treibhauseffekt entstehende Erderwärmung mittels „Geo-Engineering“-Methoden zu reduzieren. In Amerika, wo das Phänomen zuerst beobachtet wurde, sind bereits Bürgerrechtsgruppen aktiv, die sich gegen Sprühaktionen wehren — nicht zuletzt deshalb, weil nach Chemtrail-Sichtungen auch Erkrankungsfalle sowie Haut- und Augenreizungen beobachtet und protokolliert wurden. Dennoch hat Thomas’ Buch medial vergleichsweise kleine Wellen geschlagen und bleibt ein Einzelfall. Die meisten Publikationen, in denen sich das Stichwort „Chemtrails“ findet, kommen über Weltverschwörungstheorien nicht hinaus. Auch im Internet verschwimmen die Grenzen zwischen einem ernstgemeinten Anti-Chemtrail-Commercial auf einem kanadischen TV Lokalsender (Abb. 2) und der Interpretation von Chemtrails als mystische Weltuntergangssymbolik oft unerwartet schnell. Dennoch scheint das Thema über den Umweg der ständigen Wiederholung im „freien“ Internet langsam auch ins Alltagsbewußtsein einzusickern.

Im deutschsprachigen Raum wurde die „Chemtrail-Welle“ ursprünglich vom Schweizer Journalisten und Archivar Gabriel Stetter ausgelöst. Er schrieb im Frühjahr des Jahres 2004 den recht umfangreichen Artikel „Die Zerstörung des Himmels“: über das Chemtrail-Phänomen für die in Deutschland erscheinende Zeitschrift „raum&zeit“. Daraufliin meldeten sich so viele Leser beim Verlag und bei Stetter selbst, daß dieser im Herbst einen zweiten Artikel folgen ließ („Grauen hinter dem Regenbogen“). Über wenige Monate hinweg entwickelte sich auch im Internet eine deutschsprachige „Chemtrail-Szene“, die aus Diskussionsforen, Fotoarchiven sowie diversen Hintergrundberichten und Beobachtungsprotokollen besteht — obwohl das Thema in den Mainstream- und Lifestyle-Medien weiterhin unberücksichtigt blieb. Einen faktischen Beweis für die Existenz von Chemtrails bietet zwar keine der elektronischen Wahrheitsbörsen, allerdings finden sich darin jede Menge Indizien, die einer genaueren Untersuchung bedürfen. Auch ihre Nähe zu Verschwörungstheoretikern und Esoterikern kann die Chemtrail-Community nicht ganz abstreifen. Die Gründe für die Sprühversuche in der Atmosphäre reichen, so die Meinungsbandbreite, vom Versuch der Rettung der Welt bis zum Streben, einen Großteil der auf ihr lebenden Menschen durch das Versprühen von Krankheiten zu vernichten. Die „Neue Weltordnung“ läßt grüßen...

Sind die von immer mehr Menschen beobachteten und fotografierten Chemtrails nun das Produkt einer globalen Konspiration, ein Naturphänomen oder das Ergebnis menschlicher Intervention? Sind die Amerikaner wieder einmal die Bösen, die die Welt vergiften — oder versuchen sie gar, den Planeten vor dem Klimakollaps zu bewahren? Tatsache ist die Existenz des so genannten „Welsbach-Patents“‚ das eine Reduktion des Treibhauseffekts durch die Verteilung von Aluminiumoxidpartikeln und Bariumsalzen in der Atmosphäre vorsieht. Laut der Patentschrift erfolgt eine Reaktion der Partikel mit den CO2-Gasen, wobei infrarote Strahlung in den Weltraum abgeleitet wird. Dadurch soll die Erderwärmung verringert werden, ohne gleichzeitig den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Das Verfahren wurde von den Wissenschaftlern David Chang und I-Fu Shih in dem von Edward Tellerv, dem Vater der Neutronenbombe, gegründeten Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien entwickelt und 1991 für das US-Unternehmen Hughes Aerospace zum Patent angemeldet (US-Patentnummer 5,003,186). Mittlerweile firmiert die von Howard Hughes gegründete Company unter dem Namen Boeing Satellite Systems — und ist einer der Hauptlieferanten des amerikanischen Militärs und der NASA. Teller empfahl zwischen 1994 und 1998 Welsbach-Pilotversuche, zuerst über US-Gebiet, dann über dem Territorium „befreundeter Staaten“. Diese Aussage deckt sich mit der von Oberstleutnant Michael Ruess, der bei der Deutschen Bundeswehr für Bürgerfragen zuständig ist; ihm sind Experimente mit Metalloxiden im Bereich der Klimaforschung über definierten Gebieten bekannt.

Entstehung eines Kondensstreifens (Chemtrail)
Abb. 3: Früher Abend: Ein Chemtrail oder Kondensstreifen hat sich geöffnet, ein weiterer entsteht gerade. Foto: Chris Haderer; Wien, September 2004

Der Treibhauseffekt wird durch Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, Stickoxide oder halogenierte Kohlenwasserstoffe) Verursacht, die für die kurzwellige Sonnenstrahlung Viel durchlässiger sind als für die langwellige Wärmeabstrahlung der Erde. Dadurch kommt es zu einer Erwärmung der Atmosphäre. Insofern ist der Treibhauseffekt ein notwendiger Vorgang, da die Erdoberfläche andernfalls zu kalt für die Entstehung höherer Lebensformen gewesen wäre. Durch die Verwendung fossiler Brennstoffe steigt jedoch die CO2-Dichte in der Atmosphäre. Die Folge ist eine zunehmende Erwärmung der Luft, die das Weltklima beeinflussen kann (und dies bereits tut). Die Bandbreite der Szenarien reicht vom Abschmelzen der Polkappen bis zum Zusammenbruch des Nordatlantikstroms. Die im Kioto-Protokoll festgelegte Reduktion des CO2-Ausstoßes sollte eine langfristige Maßnahme darstellen, die nur durch eine Abkehr von fossilen Brennstoffen erzielt werden kann. Leider halten sich nicht alle Staaten daran. Statt dessen widmet sich die Forschung der „Notfallmedizin“, wie der Ausbringung von Algen in den Meeren — oder eben der Verbreitung von Metallpartikeln in der Luft.

Verdächtige Formationen
Abb. 4: Mehrere verdächtige Formationen auf einen Blick: Die Kondensstreifen bleiben über längere Zeit stabil und öffnen sich langsam zu nebelartigen Formen. Foto: Chris Haderer; Wien, Juli 2004

Kondensstreifen bilden sich normalerweise in einer Höhe von etwa 10.000 Metern, wenn die heißen Abgase Von Flugzeugtriebwerken Eiskristalle zu Dampfspuren kondensieren. Je nach Feuchtigkeitsgehalt der Umgebung können die Kondensstreifen mehr oder weniger intensiv ausfallen — was für den bekannten deutschen Wetterexperten Jörg Kachelmann ein deutliches Zeichen dafür ist, daß es „Chemtrails nicht gibt“. Seiner Ansicht nach sind die seltsamen Himmelserscheinungen vielmehr „ganz gewöhnliche Kondensstreifen mit mal mehr, mal weniger Ausbreitungslust. Was halt Kondensstreifen so tun in sieben bis zwölf Kilometern Höhe, wenn es mal feucht, mal weniger feucht rundum ist.“ Dieser Ansicht widersprechen die von Chemtrails gebildeten Formationen: „Die Gitterstrukturen und Bögen, die gesichtet werden, entsprechen nicht immer den Luftstraßen. Hinzu kommt, daß nicht alle Flugzeuge Spuren hinterlassen“, erklärt Gabriel Stetter (Abb. 3 und 4).

Sprühaktion mit Dioxin-Gift in Vietnam
Abb. 5: Sprühaktion der US-Streitkräfte mit dem Dioxin-Gift „Agent Orange“ in Vietnam. Foto: Archiv

Laut William Thomas wurde die „Methode zur biophysikalischen Reduktion der globalen Erwärmung“ im Jahr 2000 dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) präsentiert — und von der Mehrheit der Klimaforscher als praktikabel abgesegnet. In dem ein Jahr später vom UNO Klimaforschungsgremium herausgegebenen Report „Klimawandel 2001 — Schadensbegrenzung“ ist dann auch tatsächlich von der Möglichkeit die Rede, die zunehmende Erderwärmung durch das Sprühen verschiedenster Partikel zu reduzieren. „Diese Konzepte des Geo-Engineering werden in unseren Untersuchungen berücksichtigt, da sie eine erfolgversprechende Herangehensweise darstellen, um Veränderungen im globalen Klima zu mildern“, heißt es im Bericht. Auch das oft beobachtete „Ausbleichen“ des Himmels wird dort thematisiert — als Risiko für eine vorzeitige Entdeckung der Sprühversuche durch die Öffentlichkeit: „Zwei der Hauptprobleme früherer Vorschläge bildeten die mögliche Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre, sowie des Verhältnisses zwischen diffuser und direkter Sonneneinstrahlung und die damit einhergehende Weißlichfärbung des Himmels. Die Vorschläge von Teller (et al) lassen nun annehmen, daß die Lage, das Streuungsverhalten und die chemische Reaktionsfähigkeit des Streuguts im Prinzip so aufeinander abstimmbar sind, daß diese beiden Befürchtungen auf ein Minimum reduziert werden.“Das Gesetz entscheidet im Zweifelsfall für den Angeklagten. Grundlage dafür ist die sogenannte „Unschuldsvermutung“, die dafür sorgt, daß jemand so lange als unschuldig gilt, „bis seine Schuld bewiesen ist; verbleiben Zweifel, weil einzelne Argumente dafür, andere aber dagegen sprechen, ist er im Zweifel freizusprechen (Grundsatz „in dubio pro reo“).“

Hagelwolken über Yokohama
Abb. 6: Sturm- und Hagelwolken über Yokohama. Die Stadt wird von taubeneigrossen Hagelkörnern „beschossen“. Naturphänomen oder Manipulation? Quelle: Achikochi

Aufgrund der bisher bekannten Tatsachen wäre die Existenz von Chemtrails vor Gericht nur schwer beweisbar — auch wenn das Versprühen chemischer Substanzen eine lange Tradition hat. Abgesehen vom Einsatz chemischer Kampfstoffe (wie etwa bei den „Entlaubungsflügen“ der Amerikaner in Vietnam mit dem Dioxin-Gift Agent Orange; Abb. 5) werden beispielsweise seit den 50er Jahren offiziell Experimente mit der „Impfung“ von Wolken mittels Silberiodid durchgeführt. Dabei werden aus einer mit Silberiodid versetzten Acetonlösung stammende Salze frei, die sich mit den Eiskristallen der Wolken verbinden, schmelzen und als „künstlicher Regen“ am Boden ankommen. Diese gezielte Form der Wettermanipulation, mit der auch Schnee hergestellt werden kann, wird mittlerweile in 25 Ländern der Erde mit speziell ausgerüsteten Flugzeugen durchgeführt. Allein in den USA gibt es 15 Unternehmen, die auf Bestellung Regen frei Haus liefern. In Europa werden Wolken vor allem zur Vermeidung von Hagelschauern mit Silberiodid geimpft, wobei solche Verfahren vor allem in Weinbaugebieten angewendet werden, wo regelmäßig mit witterungsbedingten Schäden zu rechnen ist (Abb. 6 und 7).

Abb. 7: Das Ausbringen von Silberiodid zur Hagelbekämpfung ist kein Geheimnis. Auch Tagesmedien befichten von der „kleinen Wettermanipulation.“ Quelle: KURIER, 4. 11. 2001

Wenn aber das Versprühen chemischer Substanzen seit über 40 Jahren zum Alltag gehört — was macht es dann so schwer, an Chemtrails zu glauben? Und warum ist das Ausbringen von Chemikalien am Himmel ein Geheimprojekt, das außerhalb des Wahr­nehmungshorizonts der Bevölkerung stattfinden muß? Gabriel Stetter unternimmt den Versuch einer Erklärung: „Das Versprühen der Chemtrails Verstößt gegen zahllose internationale Umweltschutz­bestimmungen, beziehungsweise es kollidiert mit grundlegenden Fragen der nationalen Souveränität, sowie Fragen bezüglich des Schutzes des eigenen Luftraumes“, hält er in seinem Artikel „Die Zerstörung des Himmels“ fest. „Hinzu kommen schwerwiegende Fragen bezüglich der rechtlichen Haftung bei Nachweis von Schäden an Mensch und Umwelt. Aufgrund der Tragweite der so entstehenden Probleme empfiehlt sich daher naturgemäß eine heimliche Vorgehensweise, die notfalls mit einer Strategie der ‚plausible denial‘ in der Öffentlichkeits­arbeit gekoppelt wird.“

Wer sich mit Chemtrails beschäftigt, wird recht bald feststellen, daß es auch im deutschsprachigen Raum kaum Print—Publikationen gibt, die über das Verbreiten von Verschwörungstheorien hinausgehen. Die Mehrzahl der Veröffentlichungen beschäftigt sich mit Chemtrails als Waffe zur Vernichtung der Menschheit. Der erste Eindruck, bei dem Phänomen handle es sich vor allem um eine Idee paranoider Zeitgenossen, liegt also nicht allzu fern. Dennoch gibt es Indizien und Materialien, die so deutlich für die reale Existenz von Chemtrails sprechen, daß man darüber nachdenken sollte, warum öffentlich so wenig über das Thema nachgedacht wird — zumal Tatsachen existieren, die den Chemtrail-Indizien zusätzliches Gewicht verleihen. So erhob beispielsweise die Stadtverwaltung von Aigina/Piräus in Griechenland im Juni 2003 aufgrund des Versprühens gesundheitsgefährdender chemischer Substanzen und Aluminiumpulver aus Flugzeugen eine Klage „gegen unbekannt“. Die Existenz von Chemtrails wurde auch von halboffizieller Stelle bestätigt: Bei einer öffentlichen Anhörung im Juni 2003 gab der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Dennis Kucinich die Durchführung eines Chemtrail-Sprühprogramms zu. Das Wissen darüber habe er durch Einsicht in vertrauliche Akten der amerikanischen Air Force erlangt, da er im Kongreß 2002 eine Kommission geleitet hatte, die ein Verbot weltraumgestützter Waffensysteme forderte.

Insgesamt beschränkte sich die deutschsprachige Berichterstattung über Chemtrails bislang auf verschiedene Internet-Publikationen sowie Veröffentlichungen in Special-Interest-Magazinen aus der esoterischen und weltverschwörerischen Ecke. Erschwerend kommt hinzu, daß Chemtrails ein Thema sind, dem der Hauch des Unglaublichen anhaftet und das auch aus diesem Grund gerne als Hirngespinst abgetan wird. Die nicht wirklich vollständig erklärbare Technik des „Quanten-Beamens“, die von Prof. Anton Zeilinger an der Universität Innsbruck unter medialer Beobachtung ständig weiterentwickelt wird, akzeptieren wir als real; daß Regierungsorganisationen — aus welchen Gründen auch immer — Chemikalien am Himmel versprühen, mutet hingegen unglaublich an. Es scheint einen kollektiven Mechanismus zu geben, der unsere Rezeption von Technologie und ihren Möglichkeiten steuert, eine Art Glaubensrichtung, die im Hinterkopf der Medienmacher mitbewertet, was wir für machbar halten dürfen und was nicht.